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Filtersouveränität

Der Entwurf des Jugendmedienschutzstaatsvertrages (JMStV), der seit neuestem kursiert und die alten Konzepte des gescheiterten Entwurfes aus 2010 repetiert, wird neuerdings mit innovativer Begrifflichkeit vermarktet: „Filtersouveränität„.

Das Tolle, Neue am JMStV, so will man uns offenbar glauben machen, sei, dass Eltern frei darüber entscheiden könnten, ob sie ein Jugendschutzprogramm einsetzen oder nicht. Entschuldigung bitte, dass ist doch wohl nicht ernst gemeint.

Natürlich können Eltern heute schon frei darüber entscheiden, ob sie ein Jugendschutzprogramm nutzen, um den Internetzugang von Kindern zu filtern. Dafür braucht es keinen neuen JMStV. Und ich meine, dass es schon politisch und nicht bereits rechtlich völlig klar sein sollte, dass der Staat Eltern nicht vorzuschreiben hat, ob und wie sie den Internetzugang ihrer Kinder zu reglementieren und zu filtern haben. Wenn dieses Recht der Eltern akzeptiert wird, dann ist das keine herausragende politische Errungenschaft des JMStV, sondern eine  pure Selbstverständlichkeit.

Zu dieser selbstverständlichen Anerkennung der Freiheit der Entscheidung von Eltern gehört dann aber auch, dass man die Entscheidung der Eltern gegen den Einsatz von Jugendschutzprogrammen akzeptiert und nicht, wie dies im Vorfeld des jetzigen Entwurfes zum JMStV geschehen ist, als unverantwortliche Entscheidung bildungsferner Haushalte darstellt und so zu diskreditieren versucht.

Dahinter steckt indessen noch ein zweites Argument, dass bei Heise explizit angesprochen wird: Das löbliche am JMStV sei doch, dass keine netzseitigen Jugendschutzsperren a la Zensursula vorgesehen seien.

Der geneigte Leser wird sich denken können: Ich bin auch hier skeptisch. Wenn Alterskennzeichnung und Jugendschutzprogramme auch weiterhin nicht flächendeckend genutzt werden, wird dann bei der nächsten Novelle des JMStV in 2016 die dann nächstliegende Stufe gezündet: Obligatorische, netzseitige Pornofilter wie in UK. Unabhängig von den praktischen Auswirkungen des JMStV ist ja auch die hinter dem Entwurf stehende Logik gefährlich. Bei diesen seitens des Staates angeordneten Filtern kann ja nach einem Fehlschlag nur eine weitere Eskalationsstufe technischer Filterkonzepte folgen.

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Netzpolitik

Netz-Greenpeace?

Die „freiwillige Freizeit-Feuerwehr“ der Internet-Aktivisten solle sich professionalisieren, findet Falk Lueke, und hat dazu einen Beitrag in der taz geschrieben:

„Derzeit eilt die freiwillige Feuerwehr der Internetaktivisten den Brandstiftern hinterher und löscht, was gerade geht. Dass es auch anders geht, hat der Umweltaktivismus gezeigt: Greenpeace, BUND oder Nabu haben feste Strukturen geschaffen, um ihn zu organisieren. Sie arbeiten erfolgreich mit den losen Bündnissen zusammen, beschäftigen Experten, die Stellungnahmen erarbeiten und politische Termine wahrnehmen, die Politik professionell beobachten und rechtzeitig Alarm schlagen.“

Thomas Stadler widerspricht in seinem Blog:

„Feierabendakteure sind für den Onlineprotest (…) wichtiger als professionelle Lobbyisten (…). Wir sind bisher besser damit gefahren, es selbst zu machen.“

Man würde sich eine schlagkräftige Gruppe professioneller Netzaktivisten im Sinne einer „Netz-Greenpeace“ wünschen und vielleicht auch deshalb mag mancher in der Debatte eher einen vermittelnden Standpunkt suchen. Ich bin jedoch offen gesagt skeptisch, ob es zum Beispiel der „Digitalen Gesellschaft, auf die Falk Lüke in seinem TAZ-Beitrag natürlich anspielt,* gelingen wird sich zu einer solchen Organisation zu entwickeln. Und ich bin skeptisch nicht trotz, sondern gerade wegen des selbst gewählten Vorbilds „Greenpeace“.

Kamele durchs Nadelöhr treiben

Greenpeace verfolgt eine Kampagnenstrategie, die darauf abzielt ein Thema in und über die klassischen Medien zu transportieren. Die Vermittelbarkeit eines Themas in den klassischen Medien ist Grundprinzip von Greenpeace-Kampagnen:

„Das Planen einer Greenpeace-Kampagne bedeutet das Planen einer öffentlichen Konfrontation.“

Bei allen bisherigen „Netz-Kampagnen“ ist die mediale Berichterstattung nur eine Folge der bereits laufenden „Kampagne“. Unter der Bedingung einer im Vorhinein planbaren medialen Konfrontation, hätte jede professionelle Organisation von einer Kampagne gegen „Zensursula“ Abstand nehmen müssen. Es ist eben nicht möglich, ein durchaus diffiziles Thema so planbar medial zu zuspitzen und zu vermitteln, dass sich aus dieser öffentlichen Konfrontation erst die Breitenwirkung der Kampagne ergibt. Wer das versuchen möchte, muss vor der eigentlichen Kampagne sperrige Netz-Themen durch das Nadelöhr medialer Vermittelbarkeit treiben.

Sterbende Orang-Utans im Regenwald

Teil der Medienstrategie von Greenpeace ist „Bearing Witness„.  Gemeint ist damit, dass der Rezipient herkömmlicher Medien allein durch das Betrachten eines aussagekräftigen Fotos zum Zeugen eines ethisch nicht zu vertretenden Geschäftsgebarens gemacht wird. Damit wird der Rezipient seinerseits zu einer moralischen Entscheidung genötigt und zum Handeln gedrängt. Deswegen schüttet Greenpeace tote Fische vor das Brandenburger Tor. Aber wo sich in der Palmöl-Kampagne der seines Lebensraumes beraubte und sterbende Orang-Utan noch eindringlich visualisieren lässt, fragt man sich, wie dies beim „Urheberrecht“ funktionieren sollte. Entfacht in einer Kampagne für Netzneutralität das Bild eines „Volksempfängers“ die gleiche emotionale Wirkung wie das Foto eines sterbenden Orang-Utans? Ich denke nicht. Technisch komplexe Sachverhalte entziehen sich einer einfachen Visualisierung.

Im Hinterzimmer

Greenpeace geht es nicht um Kit-Kat. Was Greenpeace nicht offen legt und insofern auch selten Gegenstand der Berichterstattung ist, sind die Verhandlungen im Hinterzimmer. Das letztendliche Ziel jeder Greenpeace-Kampagne ist: Wenn ihr, liebe unethisch handelnde Unternehmen und Regierungen, ein Abkommen trefft, zum Beispiel zur Reinhaltung der Nordsee und des Nord-Atlantiks, dann wird unsere Kampagne als „erfolgreich“ beendet. Deswegen kennt jeder die „Brent-Spar“, aber kaum jemand die Inhalte des 1998 in Kraft getretenen Abkommens, welches Greenpeace als den eigentlichen Erfolg der Kampagne gegen die Versenkung der Brent Spar betrachtet. Ist es denkbar, dass eine Form von „Netz-Greenpeace“ eine Kampagne als „erfolgreich“ beendet, wenn in den Hinterzimmern der Macht ein Abkommen ausgehandelt wird, dessen Inhalt niemand kennt und deswegen nicht beurteilen kann? Auch hier muss die Antwort lauten: Nein! Nur wenn die Inhalte einer Übereinkunft transparent, nachvollziehbar und akzeptabel sind, endet der Widerstand im Netz. Was zwanglos überleitet zum nächsten Punkt.

Kommandohügel der Macht

Greenpeace ist keine basisdemokratische Organisation – es ist nicht einmal eine demokratische Organisation:

„Man kann [Greenpeace] durchaus als straffe und zentralisierte, manche sagen auch autoritäre Organisation bezeichnen (…). Es gab etwa die Aussage, ‚wir sind keine demokratische Organisation, das muss auch so sein, das ist wie auf einem Schiff, wo es nur einen Kapitän geben kann, der sagt, wo es langgeht‘. (…) Es ist immer noch so, dass insgesamt nur 40 Mitglieder in Deutschland das Gesamtgeschehen von Greenpeace bestimmen. Und gemessen an der Zahl von 560.000 Förderern ist das natürlich nur eine verschwindende Minderheit.“

Die „Digitale Gesellschaft“ ist, konträr zu dem selbst gewählten Namen, nicht als breite Plattform gegründet worden, sondern bewusst mit wenigen, bestimmenden Akteuren. Das ist gemessen an dem Vorbild „Greenpeace“ nicht zu kritisieren, sondern einfach nur konsequent. Im Themenfeld Netzpolitik kann aber m.E. eine Organisation langfristig nur dann erfolgreich sein, wenn sie gerade nicht ihre eigenen Intentionen dementiert. Bei Umweltpolitik geht es um die Umwelt – bei Netzpolitik um Bürgerrechte, Meinungsfreiheit, Transparenz und Partizipation. Eine intransparente und nicht auf Partizipation strukturierte Organisation kann in diesem Themenfeld nur solange bestehen und Erfolge erringen, wie sie es punktgenau schafft, den Mainstream im Netz zu repräsentieren. Um punktgenau die communis opinio im Netz zu treffen, bedarf es bei einer Top-down Organisation reichlich Empathie oder Opportunismus oder auch nur eines glücklichen Händchens – womöglich braucht es Alles zusammen. Hinreichende Empathie, Opportunismus oder auch nur ein glückliches Händchen wäre sicher Manchem zu gönnen, wenn es um Netzpolitik geht. Aber wäre die Digitale Gesellschaft ein Unternehmen, so würde ich keine Aktie von ihr kaufen wollen. Solange jedenfalls nicht, wie es die unterstellten Attribute weniger Akteure wären, auf die ich wetten müsste.

Anspruch und Wirklichkeit

Hinter dem Wunsche einer Professionalisierung des Netzaktivismus verbirgt sich – auch insoweit wie bei Greenpeace – der Anspruch, die Netzpolitik aktiv, d.h. im positiven Sinne mitzugestalten und zu verändern. Das ist ehrenwert und verdient uneingeschränkt Zustimmung. Aber es bedürfte dafür einer gestalterischen Mehrheit – und zwar in der „offiziellen Politik“. Die Diagnose ist ja richtig. Ob bei Zensursula, beim JMStV, bei SOPA/PIPA oder jetzt ACTA und 2strikes – immer geht es „nur“ darum (und eben leider um nicht mehr), als um die Verhinderung unsinniger Vorhaben. Immer geht es nur darum zu verhindern, dass die Besitzer der Pferdedroschken das Fahren mit dem eigenen Automobil verhindern oder – wie beim Leistungsschutzrecht – zumindest zu ihren Gunsten abgabenpflichtig machen wollen. Wo bleibt da der zukunftsweisende, gestalterische Impetus in der Politik? Der Frust ist nachvollziehbar. Aber in welcher Partei, geschweige denn auf Bundesebene insgesamt, wäre denn eine gestalterische Mehrheit für eine zukunftsweisende Netzpolitik auch nur in Reichweite? Nein, wer die Dinosaurier aussterben sehen will, der muss warten. Und bis dahin energisch verhindern, dass die Gattung des homo sapiens digitalensis den herumstreunenden Raubsauriern zum Opfer fällt. Wer mehr will überfordert sich zwischen digitalem Anspruch und dem realpolitischen Jurassic Park, in dem wir leben.

Reinvent yourself

So bin ich also, um ein Fazit zu ziehen, skeptisch, was die Erfolgsaussichten einer Art von „Netz-Greenpeace“ betrifft. Gewiss, die Digitale Gesellschaft möge in unser aller Interesse bleibendes schaffen, wenn es um professionelle Netzpolitik geht. Aber man verzeihe mir die Vorneigung für das Harte, Problematische: Der, der über sich selbst hinaus schaffen will, kann so zu Grunde gehen. Deshalb wäre es klüger, die Digitale Gesellschaft nähme sich an Greenpeace kein Vorbild. Und würde sich deshalb aus sich selbst heraus neu erschaffen.

 

*Update 2012/02/19 um 20:35 Uhr Streichung im Text oben vor folgendem Hintergrund: Ich bin darauf hingewiesen worden, dass im Beitrag von Falk Lüke in der taz auf die „Digitale Gesellschaft“ nicht Bezug genommen wurde und auch „Greenpeace“ nur eines von mehreren Beispielen war.

Dieser Beitrag ist als Crosspost auch bei CARTA veröffentlicht worden. Kommentare zu diesem Artikel bevorzugt dort.

 

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Mirko Lange, Ansgar Heveling und der Clash of Cultures

Mirko Lange von Talkabout hat auf G+ drei Postings zum Thema Ansgar Heveling, dem Gegensatz zwischen digitalem Fortschritt und analogen Bewahrern und dem „Clash of Cultures“ zwischen beiden geschrieben. Mir sind diese Postings allesamt zu chiliastisch, insofern sie auf einen apokalyptischen Endkampf zwischen Netz und „realem Leben“ fokussieren und sie sind mir in ihrem Denken auch zu antagonistisch, insofern als unvereinbare Gegensätze konstruiert werden, wie z.B. „digital“ vs. „analog“, „Fortschritt“ gegen „Bewahrung“ oder gar „Bürgerlich“ gegen „digitale Maoisten“. Da ich etwas umfangreicher antworten möchte, verblogge ich hier meine Erwiderung:

Die Art der Argumentation des Denkens in Gegensätzen, die sich dann in einem zugespitzten Endkampf entscheiden werden, folgt nicht aus der Sache heraus, sondern ist nüchternen Gesichtspunkten politischer Strategie geschuldet. Heveling hat seinen Beitrag in Verteidigung eines wie immer gearteten Verständnisses des Urheberrechts in der digitalen Welt geschrieben. Wer ihm nicht zustimmt, muss sich zu den „digitalen Horden“ und den „Maoisten“ zählen. Bei der Auseinandersetzung um das Zugangserschwerungsgesetz waren die Vorwürfe noch etwas weitergehend, im Sinne von: Wer gegen dieses Vorhaben war, verteidigte – so seinerzeit der Anwurf – als digitaler Anarchist sein vermeintliches Recht auf Freizügigkeit – vulgo: das Recht auf ungehinderten Konsum von ‚Kinderpornographie‘.

Im einen, wie im anderen Falle ist der Konflikt jedoch nicht, das „Ob“ sondern das „Wie“. Natürlich soll der Urheber eines schöpferischen Werkes eine Vergütung erhalten, die möglichst auskömmlich ist. Die Frage ist also „nur“, welches Urheberrecht in der digitalen Welt benötigt wird, um dies zu bewerkstelligen. Bei ‚Kinderpornographie‘ ging es nicht um das „Ob“ einer Bekämpfung, sondern um das dazu geeignete und sinnvolle Mittel.

Wer in dieser Konstellation sachliche Entgegnungen als digitalen Maoismus verunglimpft und den heraufziehenden Endkampf zwischen bürgerlich-rechtsstaatlichen Werten und dem digitalen Maoismus im Netz beschwört, verschleiert nur, dass es ihm in der Sache schlicht darum geht, sich einer sachlichen Auseinandersetzung zu entziehen und seine Vorstellung eines „Wie“ der Lösung ungehindert von sachlichen Einwendungen durchzusetzen.

Ich wage ein schräges und etwas despektierliches Bild: Gesetzt den Fall, ich wäre für die gesetzliche Regulierung des Schrebergartenwesens in Deutschland zuständig. Mein Vorschlag wäre nun aus Brandschutzgründen eine gesetzliche Regelung des Inhalts:

a) Schrebergärten dürfen nur nach persönlicher Identifikation betreten werden. Es ist 6 Monate lang zu protokollieren, wer Schrebergärten betreten hat.

b) Es ist sicherzustellen, dass Schrebergärten nur nach vorheriger Kontrolle, auch mit Körper-Scannern, betreten werden dürfen, um sicherzustellen, dass keine verbotenen Brandbeschleuniger in die Kolonie gelangen. Verwendet werden dürfen nur gesetzlich festgelegte Grillanzünder.

c) Zwischen jeder Parzelle ist eine mindestens 2 Meter hohe Brandschutzmauer zu errichten.

Ein solcher Vorschlag wird sachlicher Kritik begegnen, auch wenn man unterstellen darf, dass auch der letzten Laubenpieperkolonie der Brandschutz ein Anliegen ist. Ich kann mich nun der sachlichen Kritik stellen. Oder aber ich bezeichne pauschal die Kritiker als „pyromanisch veranlagte Brandschutz-Anarchisten“, denen ihre „persönliche Freizügigkeit wichtiger ist, als das Wohl und Wehe Ihrer Mitmenschen“.

Wenn ich Letzteres täte, dann doch nur, um mich einer sachlichen Auseinandersetzung zu entziehen und meine Vorstellungen ohne Rücksicht auf Lebenswelt und Befindlichkeit der tatsächlich Betroffenen durchzusetzen.

Man kann es einen „Clash of Cultures“ nennen, wenn von der Politik erwartet wird, dass sie sich mit sachlicher Kritik aus der Lebenswelt der Betroffenen auch befassen und diese berücksichtigen soll. Man kann aber auch, wenn dies nicht geschieht, das einfach „schlechte Politik“ nennen. Und wer so agiert, ist vielleicht auch ein schlechter Politiker.

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Mayhill-Fowler, Kubicki und die Netzsperren

Mayhill Fowler ist eine in den USA bekannte, ja inzwischen berühmte Bürgerjournalistin. Im Wahlkampf von Barack Obama hat Mayhill Fowler auf einer kleinen Veranstaltung notiert, dass Obama über die verbitterten (weißen) Amerikaner des Mittleren Westens geäußert hatte, diese würden sich in ihrem Frust an „Waffen und Religion klammern“. Über ihr Blog verbreitete Mayhill Fowler die Nachricht und die Äußerung wurde zu einem Politikum im Wahlkampf.

Dahinter steht kein singulärer Vorgang. Die digitalen Medien bieten vielfältige Möglichkeiten selbst zum Berichterstatter und Verbreiter von Nachrichten zu werden. Das gilt selbstverständlich und erst recht für politische Vorgänge [1].

So ist es auch kein Wunder, dass die prominenteste Befürworterin von Netzsperren, Ursula von der Leyen, ihrerseits ein kleines Mayhill-Fowler-Erlebnis hatte. CARTA kommentierte seinerzeit ein Video über eine Wahlkampfveranstaltung der Ministerin mit den Worten, dass „Ursula von der Leyen (…)  noch immer bereit ist, mit dem Thema Kinderporno-Sperren polemisch und in Rage Wahlkampf zu betreiben.“ Und brachte auch die zentrale Erkenntnis auf den Punkt:  „Es zeigt zugleich, wie sich die Mechanik der öffentlichen Debatte verändert hat.“

Wolfgang Kubicki, der Fraktionschef der FDP im Schleswig-Holsteinischen Landtag, muss sich also nicht grämen. Er ist jetzt in bester Gesellschaft. Hendrik Wieduwilt, seines Zeichens Blogger und freier Journalist, berichtet  über ein erlesenes Zusammentreffen im „‚Kieler Kaufmann‘ im schmucken Villenviertel Düsternbrook“ anlässlich dessen zur Sperrung von ausländischen Glücksspielangeboten im Internet folgendes geäußert wurde:

„Schleswig-Holstein will (…)  Zugangsblockaden gegen illegale [Glücksspiel-] Angebote im Internet einführen. (…) Access Blocking! Und das sickert nun auch nach Schleswig-Holstein durch, wie Kubicki etwas gepresst bestätigt – eigentlich wolle er nämlich ’noch nicht zu viel verraten‘, der Gesetzentwurf der Regierungsparteien soll am 9. Juni in Berlin präsentiert werden. Aber eine Rechtsgrundlage für Sperrverfügungen wie in Dänemark werde es geben.“

Es kam, wie es kommen musste: Wolfgang Kubicki hat so via Blog von Hendrik Wieduwilt und einem Beitrag bei Telemedicus eine politische Bombe gezündet, deren Schockwellen sich über Twitter im Laufe des Tages entsprechend verbreiteten. Die Splitter und Querschläger dieser Bombe wird jetzt nicht zuletzt auch die FDP in Berlin abbekommen. Die FDP wird schwerlich auf Bundesebene in Berlin Netzsperren im Kampf gegen Kinderpornographie ablehnen können, nur um auf Landesebene im fiskalischen Interesse an einem staatlichen Monopol auf die Ausbeutung der Spielsucht eben jenes Instrument gutzuheißen. Einen solchen politischen Spagat in der netzpolitischen Argumentation wird die FDP nicht plausibel machen können.

Die Kritiker des Zugangserschwerungsgesetzes müssen sich indessen auf der ganzen Linie bestätigt fühlen.

Und nebenbei bemerkt: Gibt es womöglich tiefsinnige Hintergedanken, warum die aktuelle Forderung, das Netzsperren eben kein Instrument des Jugendschutzes nach dem JMStV sein dürfen, in der Politik so wenig Gehör findet?

[1] Einen lesenswerten Überblick findet man zum Beispiel bei: Moorstedt, Jefffersons Erben – Wie die digitalen Medien die Politik verändern, Frankfurt 2008. Buchbesprechung beim Perlentaucher.

[Update] Die FDP Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein hat inzwischen eine Pressemitteilung herausgegeben. Darin wird Wolfgang Kubicki wie folgt zitiert:

„Internet-Sperren seien aber seiner Ansicht nach keine sinnvolle Lösung, um illegale Angebote zu verhindern. Eine entsprechende Regelung sei im Gesetzentwurf zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages daher nicht vorgesehen, so Kubicki.“

Interessant ist, dass Kubicki damit nicht dementiert, die Äußerungen, wie von Hendrik Wieduwilt zitiert, ursprünglich  getätigt zu haben. Dazu passt auch die Kommentarlage bei Netzpolitik.org. Das angebliche Dementi der FDP ist also ein sogenanntes Non-denial denial. Darauf weisst jetzt auch in einem neuen Blogbeitrag Hendrik Wieduwilt hin. Sein Fazit:

„Offenbar nimmt die FDP nun allerdings von ihrem Vorhaben Abstand – und das wäre nach allen bisherigen Erfahrungen mit Access-Blocking eine gute Nachricht. Dass die liberale Partei das aber nicht ausdrücklich so sagt, sollte eigentlich niemanden wundern.“

Alles spricht dafür, dass die Überschrift dieses Blogbeitrages ihre Berechtigung behält: Wolfgang Kubicki hat Bekanntschaft mit Mayhill Fowler in der Person von Hendrik Wieduwilt gemacht.

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Recht

Die dunklen Ecken in der EU-Kommission

Anfang Januar 2009 hat Ursula von der Leyen stolz verkündet, die Provider würden sie unterstützen bei ihrem Kampf gegen strafbare Inhalte im Netz. Nach mehr als einem Jahr intensiver Debatte steht das Zugangserschwerungsgesetz kurz vor der Aufhebung. Fast parteiübergreifend hat sich die Erkenntnis durchgesetzt: ein virtuelles STOPP-Schild im Internet bewirkt nichts im Kampf gegen Kinderpornographie. Heute wurde bekannt, dass die EU-Kommission einen eigenen Vorstoß lanciert hat, Netzsperren über die EU verbindlich vorzuschreiben. Die FAZ bringt dazu einen Beitrag  der zuständigen EU-Kommissarin Cecilia Malmström unter der Überschrift: „Dunkle Ecken des Internets aufräumen„. Man fragt sich unwillkürlich, in welcher dunklen Ecke der EU-Kommission dieser Vorschlag ausgebrütet wurde. Aber eines ist klar: das Licht der besseren Erkenntnis wird man scheinbar auch dorthin noch tragen müssen. Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur hat dazu einen ersten Beitrag geleistet: „Internet-Sperren sind Unfug im Kampf gegen Kindesmissbrauch„.