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Netzpolitik

Schützt Save the Children vor dem STOPP-Schild

Wie heute bekannt wurde ist die Webseite des Kinderschutzvereins „Save the Children“ Finnland dazu benutzt worden, auf kinderpornographische Inhalte zu verlinken. Der finnische Netzaktivist und Zensurgegner Matti Nikki berichtet, dass über die Kommentarfunktion in älteren Beiträgen der Webseite über Monate hinweg auf entsprechende Inhalte verlinkt worden sein soll (Blogbeitrag in englischer Sprache).

Möglicherweise hat ein nicht ausreichender Spamschutz für die Kommentarfunktion beziehungsweise eine veraltete Forensoftware es ermöglicht, diese Links ausgerechnet auf der Seite des Vereins „Save the Children“ zu platzieren. Besonders pikant: „Save the Children“ gehört in Finnland, wie aber auch in Deutschland zu den Befürwortern von Netzsperren im Kampf gegen Kinderpornographie. Nach dem Zugangserschwerungsgesetz würden auch die Seiten, die die Verlinkung, aber nicht die Inhalte selbst enthalten, von den Sperren erfasst. So hätte also in diesem Falle die finnische Seite des Vereins „Save the Children“ in Deutschland ein virtuelles STOPP-Schild dekoriert.

Es gibt aber m.E. auch Grundsätzliches anlässlich dieses Falles zu bemerken:

  • Ein Konflikt zwischen Informations- und Meinungssfreiheit und dem legitimen und gebotenen Kampf gegen Kinderpornographie im Web besteht dort, wo – wie in oben genanntem Beispiel – völlig legitime Inhalte durch Sperren blockiert werden. Mit dem Zugangserschwerungsgesetz wären ja alle Inhalte des Kinderschutzvereins und nicht nur die verbotene Verlinkung durch das STOPP-Schild gesperrt. Dieser Konflikt wird im Übrigen nicht dadurch gelöst, dass man ihn wie Censilia Malmström polemisch wendet.

    „Beim Thema Reglementierung des Internets werfen Bürgerinitiativen zu Recht die Frage nach der freien Meinungsäußerung auf. Bilder von Kindesmissbrauch können jedoch unter keinen Umständen als legitime Meinungsäußerung gelten.“

    Solche Äußerungen sind bestenfalls polemische Verzerrungen des eigentlichen Problems, schlimmstenfalls jedoch Anzeichen für eine ziemlich dunkle Ecke im Oberstübchen.

  • Außerdem: Wer wirklich präventiv und zugleich effektiv gegen die Verbreitung von Kinderpornographie im WWW vorgehen will, der muss das Thema Sicherheit des eigenen PC vor Viren/Trojanern und Absicherung von Webhostingaccounts in den Blick nehmen. Wie der aktuelle Fall zeigt sind es ja bei der im Untergrund arbeitenden Pornomafia vor allem gehackte PCs und Webhostingaccounts, die als Mittel zur Verbreitung genutzt werden. Aber zugegeben sei, solche Mittel und Maßnahmen mögen in der Prävention langfristig erfolgreicher sein, sie versprechen dem BKA aber weder eine Aufgabe bei der Kontrolle über das Netz noch einschlägigen Politikern eine besonders glänzende Profilierungsmöglichkeit.

Man kann beides schützen: Informations- und Meinungsfreiheit im  Internet und Kinder. Auch zugunsten des Vereins „Save the Children“.

[Update: Beim Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur gibt es jetzt eine deutsche Übersetzung des Ursprungsbeitrags. ]

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Recht

Uhl: Hardliner mit Realitätsverlust?

Die Eule brütet keine Nachtigallen aus, so sagt man. Also darf es nicht verwundern, wenn Hans-Peter Uhl (CSU) jetzt erneut in der WELT die Fehlgeburt des letzten Wahlkampfes, nämlich Netzsperren im Kampf gegen Kinderpornographie, noch einmal für eine gelungene Idee hält.

Soweit,  so verständlich. Wenig Verständnis habe ich dafür, mit welchen ‚Argumenten‘ Hans-Peter Uhl Netzsperren verteidigt. Er vermeint zu wissen:

„Das Gelöschte wird vorher auf Computer heruntergeladen und taucht später an vielen neuen Stellen wieder auf. Man kann im weltweiten Netz nichts weltweit löschen“

Nun ja, Inhalte die gelöscht werden, sind erst einmal nicht mehr verfügbar – und zwar weltweit nicht mehr. Dies im Übrigen im Gegensatz zu Sperren, die immer nur lokal für denjenigen wirken können, der sie nicht umgehen möchte.

Was aber nicht erklärt wird und von Hans-Peter Uhl wohl auch mit Sicherheit nicht erklärt werden kann: Wieso sollte sich ein Anbieter durch Sperren beeindrucken lassen, also nicht etwa einfach die Inhalte auf eine andere Domain oder einen anderen Server umziehen? Hans-Peter Uhl müsste folgende These behaupten und in der öffentlichen Diskussion auch verteidigen:  ‚Gesperrte Inhalte  tauchen nicht wieder erneut an anderer Stelle im Netz auf‘. Auf eine öffentliche Diskussion dieser These freue ich mich schon jetzt.

Abgesehen davon verschleiert Uhl – vermutlich bewußt – die dahinter stehende Problematik. Wer nämlich verhindern will, dass Inhalte erneut im Netz auftauchen, muss schlicht die internationale Strafverfolgung der Täter effektiver gestalten. Das ist die Aufgabe des BKA.

Im Showdown um das Zugangserschwerungsgesetz greifen offensichtlich die Hardliner der Union zu jedem Mittel. Neu und ungewöhnlich ist jetzt aber der direkte Angriff auf die FDP und die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger. Jedem dünkt seine Eule ein Falke.  Aber die Union sollte aufpassen, dass sie mit solchen Hardlinern nicht den Anschluss an die Realität verliert. Realität ist die schwarz-gelbe Koalition und ein breiter gesellschaftlicher Konsens gegen Netzsperren.

Zum gleichen Thema siehe auch:  http://www.netzpolitik.org/2010/csu-innenexperte-uhl-loeschen-ist-keine-loesung/

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Recht

Showdown um das Zugangserschwerungsgesetz

Das BKA kämpft weiter um das Zugangserschwerungsgesetz. Gestern hat das BKA über DPA eine Pressemitteilung lancieren lassen. Tenor: „Löschen ist ja so schwer…“  Heute fand eine Anhörung der CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag statt, in der sich erneut das BKA zu Wort meldete. Offensichtlich spitzt sich der Kampf um die Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes zu. Die offene Frage ist, wer bei diesem Showdown der „Last Man Standing“ sein wird. Was mir jedoch aufgefallen ist: das BKA ist nicht wirklich hilfreich für diejenigen in der Union, die weiter auf das Zugangserschwerungsgesetz setzen. Warum:

  • Die Pressemitteilung des BKA scheint kaum Resonanz gefunden zu haben. Ohne begleitende Unterstützung ist (mit Ausnahme der ZEIT) scheinbar kein reputierliches Medium bereit, die Aussagen des BKA zu verbreiten.
  • Das wiederum könnte damit zusammen hängen, dass das Argument in der PM des BKA, weshalb „Löschen“ nicht funktioniert, keineswegs für „Sperren“ spricht. Die Bilder würden (angeblich) nach dem Löschen anschließend „an anderer Stelle in leicht abgeänderter oder auch identischer Form wieder auftauchen“. Weshalb aber „gesperrte“ Inhalte nicht andernorts genauso schnell auch wieder auftauchen sollten, kann das BKA natürlich nicht erklären.
  • Und was das BKA verschweigt: Wenn man nicht möchte, dass jemand dauernd und erneut strafbare Inhalte veröffentlicht, dann ist die richtige Lösung weder „Löschen“ noch „Sperren“, sondern schlicht die Strafverfolgung, also das Einsperren derjenigen, die strafbare Inhalte verbreiten. Dafür ist, was die internationale Zusammenarbeit betrifft, das BKA zuständig.

Die Pressemitteilung offenbart also eine gewisse Hilfslosigkeit in der Erfüllung der eigenen Aufgaben. Das ist keine starke Unterstützung für das Zugangserschwerungsgesetz. Hat sich das BKA auf der Anhörung der CDU am heutigen Tage als hilfreicher erwiesen? Ich denke nicht:

  • Das BKA hat Zahlen mitgeteilt, wie häufig kinderpornographische Inhalte ans Ausland gemeldet wurden, in welches Land, mit welchem Ergebnis und mit welcher Reaktionszeit – für die Monate Januar und Februar 2010. Ich schliesse daraus, dass dem BKA aus den Jahren davor, also vor 2010, keinerlei Zahlen (!) darüber vorliegen, wie häufig kinderpornographische Inhalte in das Ausland gemeldet wurden, in welches Land, mit welchem Ergebnis und mit welcher Reaktionszeit.
  • Immerhin: man kann aus den Zahlen des BKA erkennen, dass 50% der insgesamt erfolgten Meldungen Seiten betreffen, die in den USA gehostet werden. Erstaunlich, dass es hier nicht zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit kommt.
  • Und letztlich noch dies: Das BKA behauptet erneut, es sei ihm untersagt, an ausländische Provider mit der Information heranzutreten, dass dort strafbare Inhalte gehostet würden. Dabei hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages diese Aussage bereits wiederlegt.

Fazit: Nach einem Jahr intensiver Debatten bringt das BKA kein neues Argument und wiederholt nur seit langem wiederlegte Argumente. Die Union wird den Showdown allein durchstehen müssen.

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Recht

Koalition der Vernunft – Mit der CDU?

Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur hat gestern einen Appell an die Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU veröffentlicht. Die Kernpassage des Briefes an die Abgeordneten lautet:

„Daher wenden wir uns heute mit der Bitte an Sie, den Ankündigungen zur Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes schnell Taten folgen zu lassen. Wir sind uns mit Ihnen einig, dass sexueller Missbrauch mit das Schlimmste ist, was einem Kind angetan werden kann. Gerade bei einem solch emotionalen Thema ist es aber wichtig, wirksame und verhältnismäßige Maßnahmen zu ergreifen. Die im Zugangserschwerungsgesetz geplanten „Internet-Sperren“ helfen nicht, das Ziel zu erreichen, sie sind sogar kontraproduktiv. Sie beenden nicht das Zurschaustellen der Opfer, sie warnen die Täter vor, lassen sie unbehelligt und sind deshalb zwecklos. (…) Missbrauchsdarstellungen müssen schnell aus dem Netz entfernt und die Täter zügig ermittelt werden. Das gemeinsame Ziel sollte daher jetzt sein, das Zugangserschwerungsgesetz aufzuheben.“

Dieser Aufruf des AK Zensur schließt an die Aufforderung von Franziska Heine im Petitionsauschuss des Deutschen Bundestags an:

„Wir brauchen eine überparteiliche Koalition der rechtsstaatlichen Vernunft, die gemeinsam ein Aufhebungsgesetz für das Netzsperrengesetz in den Bundestag einbringt.“

Auch der AK Zensur hat seinerzeit bereits gefordert, dass sich die Bundestagsabgeordneten auf ein parteiübergreifendes Aufhebungsgesetz zum ZugangsErschwG einigen sollten.

Ob sich nun auf den Appell des AK Zensur hin die CDU/CSU Fraktion einer solchen „überparteiliche Koalition der rechtsstaatlichen Vernunft“ anschliessen wird, erscheint mehr als fraglich. Es gibt scheinbar viele echte Überzeugungstäter und zuviele uninformierte Abgeordnete in den Reihen der CDU/CSU. So droht der Union die schlichte bürgerliche Tugend der Berücksichtigung des Sachangemessenen, des wirklich Geeigneten beim Zugangserschwerungsgesetz abhanden zu kommen.

Die propagierte „Koalition der Vernunft“ – sie wird wohl nicht mit der Union stattfinden.