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Netzpolitik

Mayhill-Fowler, Kubicki und die Netzsperren

Mayhill Fowler ist eine in den USA bekannte, ja inzwischen berühmte Bürgerjournalistin. Im Wahlkampf von Barack Obama hat Mayhill Fowler auf einer kleinen Veranstaltung notiert, dass Obama über die verbitterten (weißen) Amerikaner des Mittleren Westens geäußert hatte, diese würden sich in ihrem Frust an „Waffen und Religion klammern“. Über ihr Blog verbreitete Mayhill Fowler die Nachricht und die Äußerung wurde zu einem Politikum im Wahlkampf.

Dahinter steht kein singulärer Vorgang. Die digitalen Medien bieten vielfältige Möglichkeiten selbst zum Berichterstatter und Verbreiter von Nachrichten zu werden. Das gilt selbstverständlich und erst recht für politische Vorgänge [1].

So ist es auch kein Wunder, dass die prominenteste Befürworterin von Netzsperren, Ursula von der Leyen, ihrerseits ein kleines Mayhill-Fowler-Erlebnis hatte. CARTA kommentierte seinerzeit ein Video über eine Wahlkampfveranstaltung der Ministerin mit den Worten, dass „Ursula von der Leyen (…)  noch immer bereit ist, mit dem Thema Kinderporno-Sperren polemisch und in Rage Wahlkampf zu betreiben.“ Und brachte auch die zentrale Erkenntnis auf den Punkt:  „Es zeigt zugleich, wie sich die Mechanik der öffentlichen Debatte verändert hat.“

Wolfgang Kubicki, der Fraktionschef der FDP im Schleswig-Holsteinischen Landtag, muss sich also nicht grämen. Er ist jetzt in bester Gesellschaft. Hendrik Wieduwilt, seines Zeichens Blogger und freier Journalist, berichtet  über ein erlesenes Zusammentreffen im „‚Kieler Kaufmann‘ im schmucken Villenviertel Düsternbrook“ anlässlich dessen zur Sperrung von ausländischen Glücksspielangeboten im Internet folgendes geäußert wurde:

„Schleswig-Holstein will (…)  Zugangsblockaden gegen illegale [Glücksspiel-] Angebote im Internet einführen. (…) Access Blocking! Und das sickert nun auch nach Schleswig-Holstein durch, wie Kubicki etwas gepresst bestätigt – eigentlich wolle er nämlich ’noch nicht zu viel verraten‘, der Gesetzentwurf der Regierungsparteien soll am 9. Juni in Berlin präsentiert werden. Aber eine Rechtsgrundlage für Sperrverfügungen wie in Dänemark werde es geben.“

Es kam, wie es kommen musste: Wolfgang Kubicki hat so via Blog von Hendrik Wieduwilt und einem Beitrag bei Telemedicus eine politische Bombe gezündet, deren Schockwellen sich über Twitter im Laufe des Tages entsprechend verbreiteten. Die Splitter und Querschläger dieser Bombe wird jetzt nicht zuletzt auch die FDP in Berlin abbekommen. Die FDP wird schwerlich auf Bundesebene in Berlin Netzsperren im Kampf gegen Kinderpornographie ablehnen können, nur um auf Landesebene im fiskalischen Interesse an einem staatlichen Monopol auf die Ausbeutung der Spielsucht eben jenes Instrument gutzuheißen. Einen solchen politischen Spagat in der netzpolitischen Argumentation wird die FDP nicht plausibel machen können.

Die Kritiker des Zugangserschwerungsgesetzes müssen sich indessen auf der ganzen Linie bestätigt fühlen.

Und nebenbei bemerkt: Gibt es womöglich tiefsinnige Hintergedanken, warum die aktuelle Forderung, das Netzsperren eben kein Instrument des Jugendschutzes nach dem JMStV sein dürfen, in der Politik so wenig Gehör findet?

[1] Einen lesenswerten Überblick findet man zum Beispiel bei: Moorstedt, Jefffersons Erben – Wie die digitalen Medien die Politik verändern, Frankfurt 2008. Buchbesprechung beim Perlentaucher.

[Update] Die FDP Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein hat inzwischen eine Pressemitteilung herausgegeben. Darin wird Wolfgang Kubicki wie folgt zitiert:

„Internet-Sperren seien aber seiner Ansicht nach keine sinnvolle Lösung, um illegale Angebote zu verhindern. Eine entsprechende Regelung sei im Gesetzentwurf zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages daher nicht vorgesehen, so Kubicki.“

Interessant ist, dass Kubicki damit nicht dementiert, die Äußerungen, wie von Hendrik Wieduwilt zitiert, ursprünglich  getätigt zu haben. Dazu passt auch die Kommentarlage bei Netzpolitik.org. Das angebliche Dementi der FDP ist also ein sogenanntes Non-denial denial. Darauf weisst jetzt auch in einem neuen Blogbeitrag Hendrik Wieduwilt hin. Sein Fazit:

„Offenbar nimmt die FDP nun allerdings von ihrem Vorhaben Abstand – und das wäre nach allen bisherigen Erfahrungen mit Access-Blocking eine gute Nachricht. Dass die liberale Partei das aber nicht ausdrücklich so sagt, sollte eigentlich niemanden wundern.“

Alles spricht dafür, dass die Überschrift dieses Blogbeitrages ihre Berechtigung behält: Wolfgang Kubicki hat Bekanntschaft mit Mayhill Fowler in der Person von Hendrik Wieduwilt gemacht.

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Medien

Kein Herz für Blogger

Der bei iRights geleakte Entwurf für ein neues Leistungsschutzrecht der Presseverleger schlägt – wie zu Erwarten – hohe Wellen. Neben einer ersten Analyse bei iRights selbst, gibt es bereits sehr detaillierte Kritik an den Vorschlägen für dieses Gesetz. Im Kern der Kritik steht natürlich, dass eine solche Zwangsabgabe und der damit verbundene Aufbau einer neuen GEZ für Verleger alles andere als eine marktkonforme Lösung für eine Branche ist, der es sowieso gar nicht schlecht geht – sich aber das Leistungsschutzrecht über die Monopolisierung von Textschnipseln zugleich als  organisierter Angriff auf die Informationsfreiheit darstellt.

Daneben ist aber auch bereits die berechtigte Frage aufgeworfen worden, ob denn Blogger als „Verleger“ im Sinne des geleakten Gesetzentwurfes anzusehen seien. Legt man die Fassung des Gesetzentwurfes der Verleger zu Grunde, müsste man die Frage wohl verneinen. Sei es, dass es an einer „redaktionellen Festlegung“ des Presseerzeugnisses fehlt oder aber eine hinreichende „wirtschaftliche und organisatorische Leistung“ die Qualifikation als „Presseverleger“ im Sinne des Entwurfs ausschließt. Spannend aber ist hier insbesondere auch die Position von Ver.di und des DJV. Denn der Entwurf vermerkt an dieser Stelle als Position der beiden Gewerkschaften:

„Nicht als Presseerzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes gelten Telemedien.“

Was also im Entwurf der Presseverleger noch einigermaßen wortreich im wahrscheinlich gleichen Sinne erledigt wird, findet sich bei den Gewerkschaften Ver.di und DJV mit kalten Worten wiedergegeben: Blogger sollen keine Presseverleger im Sinne des Leistungsschutzrechts sein.

Und an der Stelle ist jede Verwunderung berechtigt. Wen vertreten die Gewerkschaften hier eigentlich noch, wenn sie zum Beispiel freiberuflich bloggende Journalisten nicht in den Genuss eines Leistungsschutzrechtes kommen lassen wollen, welches sie aber  sonst zu Lasten der Allgemeinheit den „Presse-Verlegern“ einzuräumen willfährig sind.

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Mixed

Verdi singt (k)ein neues Solidaritätslied

Was am Freitag – je nach Sichtweise – nach einem gelungenen Coup für die Rechteverwerter, beziehungsweise einem echten Problem für die Gewerkschaften im digitalen Zeitalter aussah, ist noch einmal knapp an einem Fiasko für alle Beteiligten vorbeigeschrammt. Die ominöse Pressekonferenz mit dem Titel “Diebstahl geistigen Eigentums im Netz: 5 vor 12 für die Kreativwirtschaft” hat stattgefunden, ohne dass eine der Parteien ihr Gesicht verloren hätte.

Bei den Rechteverwertern gab es wenig Neues zu erwarten. Dieter Gorny scheint etwas von „digitalem Maoismus“ gemurmelt und sich im Übrigen gewohnt unverständlich geäußert zu haben. Ansonsten wurde noch die Forderung nach einem „Two-Strikes“- Modell erhoben. Heise berichtet:

“ ‚Wir wollen ein Warnmodell etablieren‘, betonte Alexander Skipis vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels.  Nutzer sollten bei rechtswidrigen Filesharing-Aktivitäten zunächst zweimal gewarnt werden. Dann solle die bis jetzt übliche zivil- und strafrechtliche Verfolgung einsetzen. Für dieses ‚Two-Strikes‘-Modell sei neben der Kooperationsbereitschaft der Provider auch ein gesetzlicher Rahmen nötig. Bestandsdaten ertappter Nutzer sollten quasi ‚in Echtzeit‘ vom Zugangsanbieter abgefragt werden.“

Bei Ver.di schien dies nicht auf Zustimmung gestoßen zu sein. Die Gewerkschaft wollte sich wohl nicht in die Front der Scharfmacher beim Urheberrecht einreihen. So ist es zumindest einem bei Metronaut wiedergegebenen Statement zu entnehmen:

„Auf die Frage, ob ver.di  2- oder 3 Strikes ablehne, antwortete Bleicher-Nagelsmann, dass ver.di beides ablehne. Des weiteren sei die heutige Pressekonferenz kein Auftakt eines Bündnisses: ‚Wir haben darüber diskutiert, ob es eine gemeinsame Position geben kann, die wir hier präsentieren können. Wir haben festgestellt: es gibt diese nicht. Deswegen gibt es auch kein Bündnis.‘ “

Ver.di scheint also insoweit kein neues Solidaritätslied mit der Verwertungsindustrie zu singen. Gleichwohl forderte auch Ver.di ein „stärkeres Urheberrecht“. Zu welchem Zweck und mit welchem konkreten Inhalt blieb scheinbar offen. Spreeblick verweist aber zu Recht auf den offenen Widerspruch zu der Kampagne „Global Union Campaign Against Digital Theft“ hin. Dort ist noch das komplette Folterinstrumentarium der Verwerter genannt: „Reduction in bandwidth, blocking of websites, suspension of internet access.“

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Mixed

Gewerkschaften und digitale Gesellschaft

Ein etwas ungewöhnlicher Vorgang: Der Bundesverband der Musikindustrie lädt auf dem Briefkopf der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di zu einer Pressekonferenz. Thema laut Einladung ist „Diebstahl geistigen Eigentums im Netz: 5 vor 12 für die Kreativwirtschaft“. Die Einladung selbst verspricht keine Neuigkeiten. Aber Schlagzeilen werden vielleicht doch produziert werden.

Der Gewerkschaft Ver.di ist dies jedenfalls bereits im Vorfeld gelungen. CARTA hat mit einem offenen Brief an Ver.di geantwortet: „5 vor 12 für ver.di – Wo steht die Gewerkschaft beim Urheberrecht?“ Wir dürfen auf die Antworten gespannt sein.

Interessanterweise ist Ver.di mit gleich zwei Vertretern in der Enquete „Internet und digitale Gesellschaft“ vertreten.  Womöglich gibt es die Gelegenheit das Themenspektrum der Enquete um „Gewerkschaften und die digitale Gesellschaft“ zu erweitern. Netzpolitik.org kritisiert: „ver.di hat eine Werbekampagne gestartet, um sich bei Internet-Nutzern nachhaltig unbeliebt zu machen.“

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Netzpolitik

Liberale Vernunft und autoritäre Polemik

Blankes Entsetzen! Am heutigen Tage ist ein Interview mit Cecilia Malmström erschienen. Jener EU-Kommissarin, die wegen ihres Richtlinienvorstosses zu Gunsten von EU-weiten Netzsperren inzwischen den Beinamen „Censilia“ trägt.

Kaum verwundert war ich über das Veröffentlichungsorgan – die FAZ natürlich, die bereits im Januar, den Rollback in Sachen Netzsperren und Zugangserschwerungsgesetz eingeläutet hatte. Meine Erwartungen waren also gering, aber sie wurden tatsächlich nicht nur unterboten. Vielmehr war ich entsetzt darüber, wie anstatt der erwarteten Rudimente liberaler Vernunft eine brachial-autoritäre Polemik tonangebend war, die nur einem Zweck zu dienen scheint: Rational begründeten Widerspruch gegen Netzsperren zu marginalisieren und letztlich mundtot zu machen.

Zu den harmloseren Vorwürfen gehört zunächst, dass Censilia Malmström Gegnern ihres Vorschlags vorwirft, „sie hätten die „Richtlinie gar nicht genau gelesen“.   Und sie verwahrt sich gegen die Frage, ob sie ein „Zensursystem wie in China errichten“ wolle:

„Diese Anschuldigung ist unglaublich! (…) Ich werde als chinesische Diktatorin verunglimpft.“

Auch wenn es Frau Malmström nicht gefällt – ihr eigener Vorschlag läuft doch gerade darauf hinaus, dass in der gesamten EU ein System zur inhaltlichen Filterung des Internet installiert wird. Welche Kollateralschäden dies im Zweifel produzieren kann, zeigt das aktuelle Beispiel von Save the Children. Und vom Problem des Overblocking völlig legaler Inhalte mal abgesehen: Wer wollte wirklich darauf vertrauen, dass die Technik nicht auch zu anderen Zwecken genutzt wird. Wenn auch die Fragestellung selbst polemisch war (der Redakteur Stefan Tomik überspitzt die Frage, um eine gute Vorlage zu liefern, gegen die sich dann Malmström empört und beleidigt verwahren kann), so bleibt auch richtig – wir sind nicht in China und dürfen die, die an der Macht sind, kritisieren. Das wird sich auch Malmström gefallen lassen müssen.

Nach diesen aber eher noch harmlos-pikierten Invektiven hat sich Malmström dann warmgelaufen und behauptet u.a. (und das meiste wahrscheinlich wider besseren Wissens),

  • dass man das Problem des Overblocking legaler Inhalte nicht als Einschränkung der (Informations-) und Meinungsfreiheit verstehen könne,
  • die fraglichen Seiten in Ländern lägen, mit denen die EU nicht kooperiert [Anm.: Mit den USA nicht kooperieren – darüber würde man sich bei ACTA freuen],
  • die USA beim Löschen ineffektiv seien und
  • nur Fachleute DNS-Sperren umgehen könnten.

Und der schönste Moment der Polemik ist erreicht, wenn Censilia Malmström die Anleitungen zur Umgehung von DNS-Sperren bei Youtube mit „Anleitungen zum Bombenbau“ vergleicht.

Man hätte von einer angeblich liberalen Politikerin erwarten dürfen, dass sie wesentlich mehr Verständnis dafür hat, wenn sich Bürger frei von staatlicher Beeinflussung und – bei Nutzung von Verschlüsselungstechniken – frei von staatlicher Observation im Netz bewegen wollen. Man sollte auch erwarten, dass die Probleme des Overblockings legaler Inhalte ernster genommen würden. Und als zuständige Kommissarin könnte sie sich langsam auch mal mit dem Problem auseinandersetzen, dass Netzsperren Täter vorwarnen und schützen können.

Von alledem war keine Spur in dem Interview zu bemerken. Censilia Malmström hat sich entschieden – gegen liberale Vernunft und für autoritäre Polemik. Die FDP wird sich an diesem Vorbild gewiss nicht orientieren wollen. Und mir scheint: Auch in der CDU gibt es zwischenzeitlich viele, die sich nicht auf ein so niedriges Niveau begeben würden.