Kategorien
Medien

Kein Herz für Blogger

Der bei iRights geleakte Entwurf für ein neues Leistungsschutzrecht der Presseverleger schlägt – wie zu Erwarten – hohe Wellen. Neben einer ersten Analyse bei iRights selbst, gibt es bereits sehr detaillierte Kritik an den Vorschlägen für dieses Gesetz. Im Kern der Kritik steht natürlich, dass eine solche Zwangsabgabe und der damit verbundene Aufbau einer neuen GEZ für Verleger alles andere als eine marktkonforme Lösung für eine Branche ist, der es sowieso gar nicht schlecht geht – sich aber das Leistungsschutzrecht über die Monopolisierung von Textschnipseln zugleich als  organisierter Angriff auf die Informationsfreiheit darstellt.

Daneben ist aber auch bereits die berechtigte Frage aufgeworfen worden, ob denn Blogger als „Verleger“ im Sinne des geleakten Gesetzentwurfes anzusehen seien. Legt man die Fassung des Gesetzentwurfes der Verleger zu Grunde, müsste man die Frage wohl verneinen. Sei es, dass es an einer „redaktionellen Festlegung“ des Presseerzeugnisses fehlt oder aber eine hinreichende „wirtschaftliche und organisatorische Leistung“ die Qualifikation als „Presseverleger“ im Sinne des Entwurfs ausschließt. Spannend aber ist hier insbesondere auch die Position von Ver.di und des DJV. Denn der Entwurf vermerkt an dieser Stelle als Position der beiden Gewerkschaften:

„Nicht als Presseerzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes gelten Telemedien.“

Was also im Entwurf der Presseverleger noch einigermaßen wortreich im wahrscheinlich gleichen Sinne erledigt wird, findet sich bei den Gewerkschaften Ver.di und DJV mit kalten Worten wiedergegeben: Blogger sollen keine Presseverleger im Sinne des Leistungsschutzrechts sein.

Und an der Stelle ist jede Verwunderung berechtigt. Wen vertreten die Gewerkschaften hier eigentlich noch, wenn sie zum Beispiel freiberuflich bloggende Journalisten nicht in den Genuss eines Leistungsschutzrechtes kommen lassen wollen, welches sie aber  sonst zu Lasten der Allgemeinheit den „Presse-Verlegern“ einzuräumen willfährig sind.

17 Antworten auf „Kein Herz für Blogger“

@Andrea

Die Fragen aus Deinem Kommentar werfen m.E. ein Schlaglicht auf die grundsätzliche Problematik, wie weit sich das Leistungsschutzrecht nachteilig auf den freien Austausch von Informationen und Meinungen auswirkt. In der von Dir genannten Problematik deshalb besonders deutlich, weil es zugleich alle Urheber selbst betrifft.

@Sandra

Die Vermutung, dass das Leistungsschutzrecht möglicherweise bezüglich des Kreises der Begünstigten eingeschränkt wird, fand ich eigentlich naheliegend, aus folgenden Gründen:

a) Je kleiner der Kreis der Begünstigten des Leistungsschutzrechts, desto größer die Höhe der Subvention je Begünstigtem. Aus Sicht der Presseverleger ist es doch klüger, sich den Topf aus dem Leistungsschutzrecht mit 1000 Verlegern zu teilen, als zusätzlich noch mit 2 bis 4 Mio. Bloggern in Deutschland.

b) Wichtiger als das vorgenannte monetäre Argument erscheint mir jedoch folgendes. Wenn Christoph Keese vom Axel Springer Verlag in düsteren Worten vor dem „Austrocknen eines heute sehr lebendigen Biotops“ warnt, dann meint er doch wohl ein drohendes Zeitungssterben. Weil also der tiefe Teich der auf Papier gedruckten Informationen zu verlanden droht, bedarf es eines Leistungsschutzrechts. Wie wollte man jetzt ein Leistungsschutzrecht begründen, dass eben gerade nicht zielgerichtet den schutzbedürftigen Kreis der Papierpresse-Verleger begünstigt?

Nach meinem Verständnis haben die Verleger ihren Gesetzentwurf so geschrieben, dass es möglichst passgenau auf die o.g. Interessenlage passt, ohne direkt reinzuschreiben: „Verleger ist nur, wer auch Druckmaschinen besitzt“.

Da es in meinem Blogbeitrag aber um die Gewerkschaften geht: Es bleibt für mich auch im Lichte der Interpretation von Benno H.Pöppelmann | 40 eine offene Frage, was denn die Voraussetzungen wären, um als Blogger ebenfalls Begünstigter eines Leistungsschutzrechts zu werden.

Fazit: Es ist höchste Zeit, diese zwielichtige Form von Hinterzimmer-Lobbyismus zu beenden, Transparenz zu schaffen und über das Leistungsschutzrecht – auch bezüglich der Frage , ob es überhaupt sinnvoll ist – in der Öffentlichkeit zu debattieren.

Nicht nur gegenüber den Bloggern grenzt der DJV sich im Entwurf ab, sondern auch gegenüber anderen (auch hauptberuflichen) Publizisten/-innen – als da wären: Übersetzer/-innen, freie Lektoren/Lektorinnen, Autoren/Autorinnen. Ich habe Benno Pöppelmann schon bei der LSR-Veranstaltung am 11. März in Köln („Digital und ohne Recht?“) gefragt, ob die geplante Ausklammerung jorunalistischer Archive von der neuen Abgabe auch für andere freie Publizisten gelte; die Antwort war nicht ganz eindeutig. Im geleakten Entwurf steht jetzt lediglich: „Es ist sicherzustellen, dass Journalist/innen bezüglich ihrer eigenen Archive nicht einer Zahlungspflicht im Rahmen des Leistungsschutzrechts unterliegen.“ Höchst bedauerlich.

@Stefan
Dass das LSR nur für Papierpresse gemacht werden könnte, lese ich heute hier zum ersten Mal und hätte es nie auch nur in Bedacht gezogen. Dank für die Interpretation.

zu a) Mal mit der Argumentation der Verleger: Das LSR soll doch die originäre Leistung des Auswählens, Redigierens uä. schützen, und nicht nur ein Soli-Beitrag sein. Und diese gibt es doch auch online. Die Verlagsseite sollte demnach höheren Schutz genießen, da sie im Sinne von Art. 5 eine wichtige Funktion für die öffentliche Meinungsbildung hat und dafür erheblichen wirtschaftlichen und organisatorischen Aufwand betreibt…

Detail: Die Überschriften in Print und Online bei Tageszeitungen weichen voneinander ab, nach der Lesart, dass Online ausgeschlossen bliebe, könnte man ja dann Online-Überschriften einfach benutzen 😉

zu b) Glaubt ernsthaft jemand, dass bei den Journalisten und Autoren ein nennenswerter Betrag ankommt? (-> Buyout-Verträge)

Für einen Gesetzentwurf aus der Regierung ist es sicher noch zu früh, aber spannend wäre eine öffentliche Debatte zwischen Verlegern, Journalisten, Bloggern, Gewerkschaften und Justizministerium in jedem Fall…

@Sandra

Guter Einwurf – aber: Ich fände den kompletten Ausschluss von „Telemedien“ nur konsequent, wenn es darum ginge, dass die Verleger von gedruckten Zeitungen/Zeitschriften in einer Notlage wären, die nach akutem staatlichem Schutz schreit („Holzmediensoli“).

Bei Deiner inhaltlichen Interpretation des Gesetzentwurfes (in der Fassung der Gewerkschaften) tauchen andere Probleme (mit weit größerer Schärfe) auf.

a) Gesetzt den Fall es käme gar nicht mehr auf die Form der Veröffentlichung eines Textes an (Texte in Telemedien würden also zunächst gleichermaßen einem Leistungsschutzrecht unterfallen, unabhängig davon, ob sie auch auf Papier gedruckt wurden), warum sollte dann eine „Verlagsseite“ im Internet überhaupt in besonderer Weise privilegiert, geschützt und subventioniert werden, als jeder andere Text im Internet?

b) Wie verhält es sich mit der Ungleichbehandlung unter a) im Verhältnis zu Journalisten des öffentlichen Rundfunks, die für Internetseiten der öffentlich-rechtlichen Anstalten arbeiten, aber dann nicht mehr in den Genuss des Anteils an den Einnahmen des Leistungsschutzrechts kommen dürften?

Umgekehrt formuliert stellt sich mir bei Deiner inhaltlichen Interpretation die Frage, ob denn der Gesetzgeber ein Leistungsschutzrecht mit der besonderen Notlage von Verlegern gedruckter Zeitschriften/Zeitungen begründen könnte, bei dem dann inhaltlich auf das Erfordernis eines „gedruckten Verlagserzeugnisses“ verzichtet wird.

Ich dachte Presseverleger und Gewerkschaften hätten diese systematische Problematik messerscharf erkannt (und die Gewerkschaften eben nur prägnanter auch zu Papier gebracht). Der Text spräche m.E. dafür.

Sollte es sich komplett anders verhalten (und Deine inhaltliche Interpretation der Intentionen der Verfasser richtiger sein, als der Text des Gesetzentwurfes), dann in der Tat wäre es höchste Zeit, die Qualität der Debatte durch einen „offiziellen“ Gesetzentwurf samt Begründung zu steigern. Wobei mich dann insbesondere interessieren würde, was denn die inhaltliche Begründung für das Leistungsschutzrecht überhaupt sein soll. Es gibt nun mal kein Grundrecht auf „Geld verdienen im Internet“ – auch nicht für Presseverleger.

Zur „oder“-Diskussion:
Das würde ja bedeuten, dass Telemedien komplett ausgeschlossen sind. Allerdings sind Online-Presse-Angebote auch Telemedien, von daher würde ich rein inhaltlich eher der Interpretation von 40. folgen. Hier geht es wohl nur um den Ausschluss der ÖRA. Die sprachliche Überarbeitung des Entwurfes steht sicher eh noch aus…

Interessant für den Ausschluss von Bloggern ist doch eher “redaktionellen Festlegung” und die hinreichende “wirtschaftliche und organisatorische Leistung”.

@Benno H.Pöppelmann

Stefan hat den Gesetzmäßigkeiten der Logik zu Folge Recht, da bei einer Konjunktion durch oder nur ein Teil des Satzes zutreffen muss.

Bezüge über die Konjunktion oder hinweg aufbauen zu wollen, halte ich für bedenklich, da sie einfach unlogisch sind.

@Benno H.Pöppelmann
Danke für Ihren Kommentar. Bekanntlich gibt es (unabhängig von meinem Blogbeitrag) die offene Frage, ob Blogger nun Begünstigte des Leistungsschutzrechts sein könnten/sollten oder eben nicht. Zu dem Gesetzentwurf in der Fassung der Verleger gibt es bereits Interpretationen, wonach Blogger ausgeschlossen seien.

Der von ihnen zitierte Satz aus der Gewerkschaftsfassung ist nicht eindeutig in Ihrem Sinne (ganz im Gegenteil).

Ich lese diesen Satz vielmehr so: “Nicht als Presseerzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes gelten [1. alle] Telemedien oder [2.] Druckwerke der Rundfunkveranstalter sowie solche [Presseerzeugnisse], die [3.] überwiegend der Produktwerbung dienen.”

Bei Ihrer Interpretation wäre ein „und“ als Formulierung naheliegender gewesen: “Nicht als Presseerzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes gelten Telemedien und Druckwerke der Rundfunkveranstalter…“.

Wenn der DJV und/oder Ver.di hier für Klarheit sorgen würden (vielleicht dadurch, dass auch der aktuelle Stand des Gesetzgebungsverfahrens zwischen Gewerkschaften und Presseverlegern veröffentlicht würde), wäre das sicher im allgemeinen Interesse. Deshalb auch nochmal die konkrete Frage: Was sind die Voraussetzungen, um als Blogger ebenfalls Begünstigter eines Leistungsschutzrechts zu werden?

Sie schreiben:
„Denn der Entwurf vermerkt an dieser Stelle als Position der beiden Gewerkschaften:
“Nicht als Presseerzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes gelten Telemedien.”
Das steht in dem Entwurf nicht als Position von DJV und verdi vermerkt. Vielmehr endet der Satz im Entwurf nicht mit einem Punkt hinter“Telemedien“, sondern lautet vollständig:
„Nicht als Presseerzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes gelten Telemedien oder Druckwerke der Rundfunkveranstalter sowie solche, die überwiegend der Produktwerbung dienen.“
(Zitat aus dem bei irights.info verlinkten Entwurf).
Nach dem Diskussionsentwurf der beiden Verbände werden also die Telemedien der Rundfunkveranstalter ausgenommen, nicht aber Blogger.

@Vera
Am schutzwürdigsten ist sicherlich die Bevölkerungsgruppe der darbenden Presseverleger. Nur verständlich, dass dahinter das Interesse der Allgemeinheit an einem möglichst freien Informationsaustausch zurückstehen soll… 😉

Bei der Gelegenheit noch zu @Hendrik Zörner

DJV und Ver.di wissen genau, dass es ohne deren Zustimmung überhaupt gar kein Leistungsschutzrecht geben wird. Die angebliche Gefahr, dass ein Gesetz zum Leistungsschutzrecht „nur den Verlagen nützt und die [hauptberuflichen Print-] Journalisten leer ausgehen“ existiert in Wahrheit gar nicht.

@Stefan
Es steht doch wohl außer Frage, daß für eine so wichtige und breite Bevölkerungsgruppe die Einführung eines Schutzgesetzes unabdingbar notwendig ist.

@Hendrik Zörner

Danke für Ihren Kommentar. Ich kann Ihren Beitrag nicht als Dementi verstehen, soweit es um die Kernfrage meines Beitrags geht. Die Frage ist, ob es die Position des DJV (und die von Ver.di) ist, dass Blogger nicht als Begünstigte des Leistungsschutzrechts in Betracht kommen sollten.
Und um auf Ihren Kommentar zurückzukommen: Der DJV vertritt dann wohl allenfalls die „beruflichen Interessen von hauptberuflich tätigen Journalisten aus dem Print-Bereich“.

Der DJV folgt nicht „willfährig“ den Verlegern, sondern bemüht sich darum, die Interessen der Urheber in einem möglicherweise kommenden Leistungsschutzrecht zu verankern. Sonst droht nämlich die Gefahr, dass das Gesetz nur den Verlagen nützt und die Journalisten und Fotografen leer ausgehen. Im Übrigen dürfte klar sein, dass der DJV die beruflichen Interessen von hauptberuflich tätigen Journalisten vertritt. Einige von ihnen sind auch Blogger, aber nicht alle Blogger sind Journalisten und wollen auch nicht so gesehen werden.

Der Spiegel bezeichnete in seiner letzten „das Internet ist gefährlich“ Kampagne Twitterer > 2000 Follower als Publizisten. Jetzt kommt Verdi und versteht den Unterschied zwischen Journalisten und Bloggern letztere sind wohl keine Publizisten, was? Aber vielleicht ist es bei genauerem Hinsehen eine Frage der Klicks und Feed Abonnenten. Spannend wird es schon genauer hinzusehen, wo genau der Unterschied zwischen Bloggern und Journalisten liegt. Leistungsschutzrecht muss weg, man kann doch juristisch kein Geschäftsmodell für die Zeitungsbranche schaffen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert